Wenn Reduktion und Eleganz verschmelzen

Umbau mit Klasse

Als ihre Kinder auszogen, reifte beim Besitzerehepaar der Wunsch, ihre Dachterrassenwohnung am Zürichsee zu renovieren und neu einzurichten. Mit sanften Farben, hochwertigen Materialien und einem spannenden Lichtkonzept schuf die Interior-Designerin Vanessa Cerasoli ein aussergewöhnliches Wohlfühlambiente.

Die Hausherrin liebt klassische Musik. Wenn sie nicht gerade mit ihrem Mann auf Reisen ist oder Kunstausstellungen besucht, sitzt die Züricherin an ihrem Steinway-Flügel und spielt oft mehrere Stunden am Tag. Partituren von Mozart, Chopin oder Rachmaninow ertönen in der herrlichen Dachgeschosswohnung mit weitem Blick auf den Zürichsee und die Insel Ufenau. Der Klang kann sich über dem Flügel wunderbar entfalten, denn bis zum Giebel sind es fast fünf Meter.

Das Paar lebte fast 25 Jahre in dem 240 Quadratmeter grossen Domizil, hier wuchsen seine drei Kinder auf. Nachdem die Kinder auszogen, hatten beide den Wunsch, ihr Zuhause noch einmal von Grund auf zu sanieren. Sie gaben die Neugestaltung in die professionellen Hände der Interior-Designerin Vanessa Cerasoli von Collab Interiors. Ihre Professionalität, gepaart mit Herzenswärme und Authentizität, waren es, die die Besitzer bewogen, ihr von Anfang an eine Carte Blanche zu geben – ein Glücksfall für die junge Unternehmerin. Sie und ihre Interior-Seniorberaterin Laura Wunderlin erfassten schnell, in welche Stil-Richtung der Umbau gehen soll. Das Laute, Farbige liegt der Hausherrin nicht. Sie favorisiert warme Erdtöne, Weiss und zarte Anthrazittöne. «Wir wohnen in einem in den 90er-Jahren erbauten Mehrfamilienhaus im Landhausstil, dazu sollte die Einrichtung passen. Die Gegend hat noch bäuerliche Strukturen, es gibt Obstwiesen und alte Höfe, dem sollte das neue Interieur Rechnung tragen», erzählt sie. Wertige, nachhaltige Materialien bilden die Basis. Ausgefallene Leuchten und die zeitgenössische Fotokunst der Bauherrschaft sorgen für einen spannenden Twist.

Während der fünfmonatigen Bauzeit bezog das Paar ein Airbnb-Service-Apartment im Zentrum von Zürich und genoss das Stadtleben. In dieser Zeit konnte Collab Interiors den beiden Etagen einen neuen Look verpassen: Die Holzverschalung unterm Dach blieb, sie erhielt nur einen weissen Anstrich. Die Wände liess Vanessa Cerasoli neu verspachteln und überall in dem sanften Grau «French Grey» von Little Greene streichen. Die massiven Eichenholzdielen, die bis auf die Bäder in allen Räumen verlegt wurden, fungieren als weitere optische Klammer. Unter der Büchergalerie stehen zwei legere Sofas und eine Chaiselongue mit vielen Kissen des belgischen Herstellers PH Collection. Hier wird gelesen, Musik gehört oder einfach relaxt. Ein handgewebter Teppich des englischen Teppichlabels Jacaranda Carpets zoniert den Living-Bereich. Ganz entscheidend für eine wohnliche Atmosphäre sind die Leinenvorhänge, alle massgefertigt. «Ich lasse immer Doppelfalten nähen, damit die Stoffe schöner fallen und buschiger wirken,» erklärt die Interior-Expertin.

Ein spannender Kontrast zur monochromen Einrichtung sind drei Leuchten, die alle Blicke auf sich ziehen: Der prachtvolle Lüster mit seinen acht sinnlichen Glasobjekten wirkt durch die filigrane Seilaufhängung wie ein schwebendes Kunstwerk über dem Konzertflügel. Das kanadische Leuchten-Label Bocci mit Sitz in Vancouver und Berlin ist bekannt und berühmt für seine aussergewöhnliche Glaskunst und kreative Herstellungstechnik. Bei der «Serie 73» wird ein unikaler Glaskörper gegossen. Die unterschiedlich gefalteten Schmuckstücke erinnern an überdimensionale Süsswasserperlen. Auch fast schon ein Kunstobjekt ist die skulpturale Stehleuchte «Mito raggio» von Occhio. Eine Berührung genügt, um das Licht nach oben oder unten zu dirigieren. Über dem Esstisch hängen zwei glamouröse Lüster von Eichholtz in gebürstetem Messing mit Glastropfen. 

Die Fronten der offenen Küche sind aus Eichenholz, gebeizt und gebürstet. Mit dem Naturmaterial ziehen Wohnlichkeit und Wärme in die Küche ein. Eine Rarität ist der Naturstein «Ceppo di Gré» vom Lago d'Iseo in Italien. Der lebendige Stein mit Geröll bringt Lebendigkeit und Persönlichkeit in die Küche. «Ganz am Anfang tat sich die Hausherrin schwer mit der markanten Optik. Als wir ihr dann einen homogenen Kunststein präsentierten, – als ruhige Option – war sie dann doch vom Naturstein überzeugt», erzählt die Designerin. 

Auf Trends legen die Eigentümer keinen Wert, sie wollten keine Show-Küche für Gäste. Stauraum ist ihnen wichtiger als offene Regale. Wie bei Profiköchen hat hier alles einen festen Platz – das erleichtert die Arbeiten in der Küche. Hinter dem Hängeschrank mit den vertikalen Eichen-Leisten ist die Dunstabzugshaube versteckt. Die Hausherrin schätzt die leichte Küche, zum Beispiel von Jamie Oliver oder Yotam Ottolenghi. Mithilfe von zwei Einbaugeräten, ein Backofen und ein Dampfgarer, zaubert sie wunderbare Gerichte auf den Tisch. 

Bei der Zubereitung des Essens geniesst man einen herrlichen Blick auf den Zürichsee. Und wann immer möglich, sitzt das Paar mit seinen erwachsenen Kindern – wenn sie zu Besuch sind – und Freunden auf der Terrasse mit dieser unverbauten Sicht auf den See.

Neben dem Wohnbereich liegt ein Gästezimmer. Daran schliesst sich der Master-Bedroom an. Hier nahm Vanessa Cerasoli grössere Eingriffe vor. Einen Schrank, der die Sicht auf die Sprossenfenster der Giebelseite versperrte, liess sie entfernen. Das Bett wurde so platziert, dass die Bewohner jetzt den einzigartigen Blick auf die sich ständig verändernde Naturbühne vom Bett aus geniessen können. Einen femininen Touch erhält das Schlafzimmer durch den runden Samtsessel «Chance» von Saba und die Fotoarbeit «Le dos d'une femme» von Edward B. Gordon von Lumas.

Statt einer Schwingtüre führt jetzt gegenüber ein Schiebeelement in das Bad. Die Hausherrin schätzt Klarheit in den Räumen, viele Schränke sind für sie deshalb unverzichtbar. Vanessa Cerasoli hatte dafür im Bad eine geniale Idee: Weil sie die Dusche verkleinerte, war daneben noch Platz für einen schmalen Schrank. Mit viel Feingefühl gestaltete sie den Wellnessbereich als einen echten Rückzugsort zum Erholen und Entspannen. Das massive Eichenholz wirkt warm und hat eine angenehme Haptik. Dazu harmonieren die grossformatigen Fliesen, die französisches Tafelparkett perfekt imitieren.

Neben der Wendeltreppe, die in das Dachgeschoss führt, fällt der Blick der Bewohner und Besucher sofort auf eine weitere Fotoarbeit. Mit seiner Kamera enthüllte Werner Pawlok mit viel Feingefühl den morbiden Charme eines prachtvollen Palastes in Havanna, der einst einem reichem Zuckerbaron gehörte. 

Im Obergeschoss liegen ein gemütliches Gästezimmer, Rückzugsbereiche für die Kinder, wenn sie zu Besuch kommen, ein weiteres Bad. Die lange Galerie über dem Wohnbereich dient als Bibliothek. Die Literatur ist nämlich die zweite Leidenschaft der Bauherrin.